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Archivalie des Monats Juni 2020: Friedrich Schmidt – Ökonom, Sparkassengründer und Politiker

Während an Heinrich Guichard von Quintus-Icilius in Bad Fallingbostel das Denkmal vor der Kirche und ein Straßenname erinnern, ist das Gedenken an seinen Freund Friedrich Schmidt, der 1864 bei der Einweihung des Quintus-Denkmals eine ergreifende Rede hielt, nicht so ausgeprägt. Doch auch der Ökonom (so die frühere Bezeichnung vor allem für Landwirte, die eine größere Besitzung bewirtschafteten) Friedrich Schmidt hat es verdient, gewürdigt zu werden.

Der am 27. Oktober 1804 geborene Friedrich Schmidt war bei seinen Zeitgenossen wie Quintus-Icilius ein sehr angesehener Mann. Besondere Verdienste erwarb er sich bei der Gründung der Sparkasse zu Fallingbostel im Jahr 1838. Quintus-Icilius, von dem die Initiative ausging, hätte ohne die Unterstützung seines Freundes Friedrich Schmidt und des Böstlinger Vollhöfners Johann Peter Harms nicht eine der ersten Sparkassen im ländlichen Raum des Königreichs Hannover gründen und schnell zu beachtlicher Stärke führen können. Zum Dank für seinen Einsatz für die Sparkasse erhielt Schmidt einen silbernen Tafelaufsatz.

 

Ein Jahr nach der Sparkassengründung stand Schmidt erneut Quintus-Icilius zur Seite als das gesellschaftliche Leben in Fallingbostel durch die Gründung des Lieth-Clubs bereichert wurde. Wie bei der Sparkasse gelang es auch 1839, eine zunächst nur in den Städten anzutreffende Einrichtung einer Clubgesellschaft sehr frühzeitig schon auch auf dem „platten Land" zu etablieren. Für die „hiesigen Honorationen" – und das waren dank der Amtsvogtei einige in dem kleinen Ort – bot der Lieth-Club die Gelegenheit für geselliges Beisammensein und wohl auch für Gespräche, bei denen manches im direkten Kontakt – wir würden heute vielleicht sagen „auf dem kleinen Dienstweg" – geregelt wurde.

 

Friedrich Schmidt war aber nicht nur ein ökonomisch und gesellschaftlich für Neuerungen aufgeschlossen Mann, er engagierte sich auch politisch. Als Deputierter der Lüneburg'schen Grundbesitzer gehörte er der zweiten Kammer der „von Seiner Königl. Majestät dem König von Hannover mittelst Allerhöchster Proclamation vom 7. Januar 1838 berufenen allgemeinen Stände-Versammlung" an. Diese Mitgliedschaft fiel in politisch turbulente Zeiten, hatte König Ernst August doch bald schon nach seiner Thronbesteigung das 1833 erlassene Staatsgrundgesetz für nicht wirksam erachtet und außer Kraft gesetzt. Dagegen protestierten nicht nur die „Göttinger Sieben" (zu diesen Professoren gehörten auch die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm), sondern auch Schmidt schloss sich 1838 einer – allerdings folgenlos gebliebenen – Eingabe von einigen Mitgliedern der Ständekammer an die Deutsche Bundesversammlung an. Beigelegt wurde der Verfassungskonflikt erst im August 1840 durch den Erlass einer neuen Verfassung, die die vorherige Billigung der Ständeversammlung erfahren hatte.

 

1848 wurde Friedrich Schmidt dann in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Die Wahlkreise waren so ausgelegt, dass je 50.000 Einwohner ein Abgeordneter zu wählen war, insgesamt also rund 600 Abgeordnete. In der Nationalversammlung, die am 18. Mai 1848 zum ersten Mal in der Frankfurter Paulskirche zusammenkam, wurden fünfzehn sogenannte Abteilungen gebildet, in denen die Vorberatungen der Verhandlungsgegenstände erfolgten. Als die Abgeordneten in der zweiten Sitzung am 19. Mai 1848 per Los einer Abteilung zugeordnet wurden, kam Schmidt in die dreizehnte Abteilung, die einen Saal mit Nebenzimmer bei Dr. med. Kloß, Paulsgasse Nr. 5, nutzen sollte. Einer der sich dann bald bildenden Fraktionen schloss sich Schmidt aber nicht an.

 

Nach zwei Monaten reichte Schmidt aber bereits ein Urlaubsgesuch ein, dem in der 43. Sitzung am 20. Juli 1848 stattgegeben wurde. Die beantragten und bewilligten vier Wochen Urlaub scheinen aber ein Umschwenken Schmidts herbeigeführt zu haben. Denn er kehrte nicht in die Nationalversammlung zurück. Im stenographischen Bericht der 61. Sitzung am 17. August 1848 wird festgehalten: „Herr Schmidt aus Fallingbostel sieht sich seiner Gesundheit wegen veranlaßt, auf seinen Deputirtensitz zu resigniren [hier noch in seiner alten Bedeutung von zurückgeben, verzichten gebraucht und nicht im heutigen Sinne von „sich mit seinem Schicksal abfinden"], und diese Resignation anzuzeigen; wir werden davon ebenfalls dem Reichsministerium des Innern Nachricht zu geben haben, um eine neue Wahl zu veranlassen."

 

Heinrich von Gagern, der Präsident der Nationalversammlung, gebraucht das Wort „ebenfalls" sehr zu recht, denn nicht nur in dieser Sitzung reichten noch zwei andere Abgeordnete ihre „Resignation" ein, sondern solche Rücktritte häuften sich und wurden fast schon zu einem Standardtagesordnungspunkt. Das lässt darauf schließen, dass die häufig zur Begründung angeführten gesundheitlichen Probleme wohl doch nicht ausschlaggebend waren, sondern eher eine Unzufriedenheit mit dem Verlauf der sich mühsam hinziehenden politischen Debatten.

 

Bei Schmidt darf man dies annehmen, denn sein Austritt aus der Nationalversammlung (zu seinem Nachfolger wurde dann Quintus-Icilius gewählt) bedeutete keineswegs seine grundsätzliche Abkehr vom politischen Engagement. Er vertrat später die lüneburgischen kleinen Städte in der hannoverschen zweiten Kammer und wirkte auch nach der Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen 1866 in den neuen politischen Gremien mit.

 

Als im Jahr 1867 erstmals unter preußischer Herrschaft Wahlen zum konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes angesetzt waren, fand eine der ersten politischen Versammlungen im Wahlkreis Hannover 7, der aus den Ämter und Städten im Bereich Nienburg, Neustadt am Rübenberge und Fallingbostel bestand, am 19. Januar im Wulkopschen Lokal in Fallingbostel statt. Geleitet wurde die gut besuchte Versammlung von Friedrich Schmidt, der dann auch in den engeren Vorstand von drei Herren – neben ihm Kommerzienrat Wolff, Walsrode, und Hofbesitzer Bunke, Düshorn – gewählt wurde. Dieser Ausschuss setzte sich für den nationalliberalen Kandidaten Planck ein, der am 12. Februar im Amtsbezirk Fallingbostel 1534 Stimmen auf sich verbuchen konnte, während der Deutschhannoveraner Friedrich Wilhelm Carl Bernhard von Bothmer aus Landesbergen nur 1137 Stimmen erreichte. Im gesamten Wahlkreis trug aber der welfisch gesinnte Landrat und Schatzrat in der Hoya-Diepholzschen Landschaft von Bothmer den Sieg davon. Schmidt selbst nahm in preußischer Zeit bis kurz vor seinem Tod an den Beratungen der Provinziallandschaft und des Provinziallandtages teil.

 

So wie von Bothmer sein Gut in Landesbergen weiter bewirtschaftete, betätigte sich auch Schmidt als „Ökonom". Sein Anwesen befand sich dort, wo heute in der Düshorner Straße eine Tankstelle zu finden ist. Als Landwirt hatte Schmidt durchaus Erfolg: Als am 7. Juni 1868 erstmals eine Tierschau in der Lieth stattfand, erhielten Kreishauptmann Hoppenstedt und Mühlenbesitzer Rubach erste Preise für ihr Rindvieh, Ökonom Schmidt für Schnucken und Helmke-Idingen für Schweine.

 

Diese Auszeichnung dürfte Schmidt gut getan haben, denn drei Jahre zuvor hatte ihn ein herber Schlag getroffen. Am 3. Januar 1865 brannte durch Brandstiftung eines rachsüchtigen Brenners das 100 Fuß lange und 50 Fuß breite Brennereigebäude mitsamt der großen Kornvorräte nieder. Auch weitere Nebengebäude mit Kornvorräten und anderen dort gelagerten Gütern fielen dem durch Brandstiftung entstandenen Feuer zum Opfer.

 

Welche Wertschätzung Schmidt damals genoss, lässt sich daran ersehen, dass aus Obereinzingen ein Gesuch an Regierungsrat Friedrich Wilhelm Heinrich Hoppenstedt, den Schwiegersohn und Amtsnachfolger von Quintus-Icilius, gerichtet wurde:

 

„Mit innigster Betrübnis haben die Eingesessenen von Ober-Einzingen das große Unglück in Erfahrung gebracht, welches dem besten Bürger des Amtes Fallingbostel, dem treuesten deutschen Manne, Herrn Öconom Schmidt am 3. c. [Abkürzung von lat. currentis = des laufenden Monats] widerfahren ist.

 

Und wenn es dem Manne widerfahren ist, welcher – Uneigennützigkeit stets als Wahlspruch seines tatkräftigen Strebens voraussetzend, in unverbrüchlicher Treue eine so lange Reihe von Jahren ohne jegliche Vergütung in aufopfernder Liebe für das Wohl des ganzen Amtes und der Eingesessenen desselben wirkte: dann glaubt die Bauernschaft Obereinzigen nur eine geringe Pflicht zu erfüllen, wenn sie dem Herrn Regierungsrat Hoppenstedt, als Chef des königlichen Amtes sowohl, wie als Direktor der Sparcasse ebenso gehorsams wie angelegentlichst ersucht, gütigst veranlassen zu wollen, daß dem Herrn Öconom Schmidt ein entsprechender Betrag aus den Überschüssen der Sparcasse als Zubuße zu den erforderlichen Neubauten bewilligt und ausgehändigt werde.

 

Schließlich spricht die Bauernschaft Ober-Einzigen noch die Hoffnung aus, daß der so schwer Heimgesuchte dieses unser Petitum [= Gegenstand eines Antrags] als nur einen kleinen Tribut für das ansehen möge, was selbige ihm verschuldet; wie auch die Orts-Eingesessenen zu jeder Zeit bereit sind, mit der That zu helfen, so viel in ihren Kräften steht.

Geschehen in der Gemeinde-Versammlung zu Ober-Einzigen, den 13. Januar 1865.

Der Gemeindevorsteher

Heinrich Euhus."

 

Ob diesem Gesuch entsprochen wurde ist nicht bekannt. Das Brandunglück trug aber wesentlich zur Verarmung von Friedrich Schmidt bei. Er verstarb nach kurzer Krankheit am 20. November 1869. Neben der Grabstelle von Quintus-Icilius fand er seine letzte Ruhe. Beide Mausoleen sind in der Grünanlage Osterberg erhalten.